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Wenn Maschinen denken – warum wir es nicht ihnen überlassen dürfen

  • Autorenbild: Rients Goerbitz
    Rients Goerbitz
  • 25. Okt.
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 26. Okt.

Es klingt verlockend: Antworten, die sofort bereitstehen. Gedanken, die sich in Sekunden ordnen. Lösungen, die auf Knopfdruck entstehen. Doch genau hier liegt die Falle. Denn im Streben nach Effizienz, nach sofortigen Ergebnissen, verlieren wir eine alte, leise Fähigkeit: das sich Durcharbeiten. Das geduldige, manchmal mühsame Ringen mit einer Frage, einem Gedanken, einem Gefühl.


Reflexion ist kein Prozess, den man beschleunigen sollte. Sie ist der Weg selbst – der Unterschied zwischen Erkennen und Erleben. Eine Maschine kann erkennen – Muster, Daten, Zusammenhänge. Doch sie kann nicht erleben. Sie betrachtet die Welt von außen, so wie man eine Welle sieht, ohne das Salz auf der Haut zu spüren.


Selbstreflexion hingegen ist ein inneres Spüren. Sie entsteht, wenn wir uns erlauben, im Unklaren zu bleiben. Wenn wir in der Spannung zwischen Wunsch und Wirklichkeit aushalten. Wenn das Denken nicht nur ein mentaler Akt ist, sondern ein körperliches, fühlendes Geschehen.


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Der Verlust des Widerstands


Mit jedem Klick, der uns das Nachdenken abnimmt, wird ein Stück dieses Widerstands glatter, leichter – und verschwindet schließlich. Doch genau dieser Widerstand ist der einzige Stoff, an dem wir wachsen können. Künstliche Intelligenz erfüllt unser Bedürfnis nach Wegfall von Reibung. Sie löscht Unsicherheit, Komplexität und Unklarheit aus und richtet uns ein in einer WALL-E Komfortzone.

Was bleibt, ist Wissen ohne Tiefe – ein Erkenntnisraum ohne Eros. Früher bedeutete Verstehen das Durchdringen der Materie. Heute reicht uns die Oberfläche, auch deshalb, weil wir uns gegenseitig immer weniger abverlangen. Wir befreien uns wechselseitig von den Verantwortungen, indem wir sie an die Maschine deligieren.


Wir konsumieren Antworten, statt sie zu erarbeiten. Wir wissen, ohne zu begreifen.


Der koreanisch-deutsche Philosoph und Träger des Prinzessin-von-Asturien-Preises für Kommunikation und Geisteswissenschaften 2025, Byung-Chul Han beschreibt in Infokratie (2021), dass die digitale Ordnung die „Festigkeit des Seins“ zerstört. Alles wird herstellbar, formbar, instant. Doch mit dem Verlust der Unverfügbarkeit geht auch der Verlust unserer inneren Resonanz einher. Denn das, was uns in Bewegung hält, ist nicht die Antwort – es ist das Werden.



Die Verwischung des Menschlichen


Wenn Maschinen schneller verstehen als wir begreifen, besteht die Gefahr, dass wir den Geschmack des Denkens verlieren. Nicht, weil die Technologie uns überholt, sondern weil wir aufgehört haben, zu verweilen. Wir verlernen die Langsamkeit. Wir verlernen, dass Irrtum und Scheitern ein notwendiger Bestandteil von Einsicht ist. Wir verlernen, dass Erkenntnis geboren wird aus Nichtwissen, nicht aus Geschwindigkeit und Konsum von Informationen. Das ist kein nostalgisches Plädoyer gegen den Fortschritt – sondern eine Einladung, die Balance wiederzufinden. Zwischen Wissen und Weile. Zwischen Präzision und Pausen. Zwischen Maschine und Mensch.



Die Folgen des Sofortergebnisses


  • Erfahrung wird flach: 

    Ohne Mühe kein Gewicht. Wer Erkenntnis nicht durchlebt, spürt sie nicht.


  • Selbstwirksamkeit schwindet: 

    Wenn Maschinen schneller sind, verlieren wir die Freude am Weg und fühlen uns zunehmend wertlos.


  • Beziehung wird kalkulierbar: 

    Wir projizieren den Algorithmus in unsere Kommunikation – reaktiv, effizient, emotionslos.


  • Lernen wird konsumiert: Wissen wird gekauft, statt erfahren.


Je perfekter die Systeme werden, desto größer wird die Versuchung, auch das Menschliche zu delegieren. Aber das, was Maschinen übernehmen, ist gerade das, was uns formt: das Unfertige. Das Ungewisse. Das Werdende.



Die Einladung


Vielleicht geht es also nicht darum, was KI für uns tun kann.Sondern darum, was sie uns zeigt: Wie sehr wir uns selbst entfremdet haben. Wie schnell wir antworten wollen, wo das Innehalten die wahre Praxis wäre. Nicht jede Frage verlangt eine sofortige Antwort. Manche Fragen möchten einfach gestellt und gespürt werden.


Beim nächsten Drang, etwas schnell erklärt zu bekommen:


  • Halte inne

  • Atme

  • Lege deine Hand auf die Brust


Spüre die Wärme, das Gewicht, die Lebendigkeit. Das ist Denken, das sich in Bewusstsein verwandelt.

Künstliche Intelligenz kann Muster erkennen. Aber nur du kannst erleben, was sie bedeutet.



Bewusstes Denken als Praxis


Vielleicht ist das unsere eigentliche Aufgabe: die Rückkehr zum Denken, das nicht nur weiß, sondern fühlt. Das sich nicht vor der Dunkelheit des Unwissens fürchtet, sondern sie als Ort des Werdens anerkennt.


Wer im Prozess bleibt, wer sich abarbeitet, wächst nicht nur an der Sache, sondern auch an sich selbst.Das ist die Arbeit am Bewusstsein – die Arbeit, die keine Maschine uns je abnehmen kann.



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