Wenn Sie sich beschweren möchten, bitte! Aber tun Sie dann auch etwas.
- Rients Goerbitz

- 21. Okt.
- 4 Min. Lesezeit
Wir leben in einer Gesellschaft, die stoische Widerstandskraft schätzt: Durchhalten, keine Schwäche zeigen und auch in schwierigen Situationen ruhig und gefasst bleiben. Schon von Kindesbeinen an wird uns vermittelt, dass man sich nicht beklagen soll, weil sich Probleme mit Geduld und Disziplin von selbst lösen. Man bringt uns bei, dass sich Meckern nicht lohnt und es besser ist, die Zähne zusammenzubeißen.

Die Wirklichkeit sieht jedoch manchmal anders aus. Manchmal verspüren wir das Bedürfnis, unseren Ärger auszudrücken, gegen Ungerechtigkeiten aufzubegehren oder in Momenten der Hilflosigkeit laut zu werden. Es ist vollkommen in Ordnung, sich über Dinge zu beschweren, die uns verletzen, stören oder die wir einfach nicht länger akzeptieren wollen. Letztlich erfüllt das Beschweren auch eine wichtige psychologische Funktion:
Das Aussprechen dessen, was uns belastet, und das Verbalisiertwerden unserer Frustration wirkt befreiend und entlastend.
Das Ausdrücken „negativer“ Gefühle durch Beschwerden ermöglicht uns:
Innere Spannungen abzubauen,
Kurzzeitig unangenehme Gefühle zu lindern,
Gedanken zu ordnen.
Beschwerden sind so gesehen ein emotionales Ventil: Sie machen uns erst bewusst, dass etwas nicht stimmt, und helfen, die eigenen Gefühle in Bahnen zu lenken. Gefühle zu unterdrücken, wie es oft geraten wird, kann dagegen dazu führen, dass sich Stress, Angst, Reizbarkeit, Frustration und Unzufriedenheit anhäufen.
Die Bedeutung von Beschwerden
Beschwerden sind eine Art Warnsignal. Sie zeigen uns, was uns stört, und geben Hinweise darauf, was wir verändern, verbessern oder annehmen müssen. Jede Beschwerde ist gewissermaßen eine Landkarte unserer emotionalen Prioritäten und Grenzen. Wenn wir lernen, diese Signale richtig zu interpretieren und darauf zu reagieren, können wir Unzufriedenheit in konkrete Lösungen verwandeln und Schritte unternehmen, die unser Wohlbefinden fördern.
Schon kleine Veränderungen können die Blockade des sich immer wieder Beklagens durchbrechen. Das kann eine einfache Gewohnheitsänderung sein, eine Neuorganisation des Alltags, um Stress zu reduzieren, oder die Entscheidung, einen verdeckten Konflikt direkt anzusprechen. Wichtig ist dabei nicht, dass das Problem sofort komplett gelöst wird, sondern dass wir wieder das Gefühl bekommen, Einfluss auf unsere Situation zu haben und nicht hilflos den Umständen ausgeliefert zu sein.
Ein weiterer positiver Effekt, wenn man vom Beschweren ins Handeln kommt, ist die Stärkung der eigenen Kompetenz. Jedes Mal, wenn wir ein Problem erkennen, darüber sprechen und aktiv eine Lösung suchen, trainieren wir unsere Widerstandskraft und gewinnen Vertrauen in die eigene Fähigkeit, Herausforderungen zu meistern.
Dieses Zusammenspiel aus Beschweren als Informationsquelle und Handeln als Stärkung des Selbst wirkt als hilfreicher Kreislauf, der uns besser mit alltäglichem Stress und Frustrationen umgehen lässt – und auch längere, belastende Probleme angehen kann.
Die Folgen von untätigem Beschweren
Es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen sich beschweren, um Spannungen abzubauen, und dauerhaft im ewigen Beklagen stecken zu bleiben. Erstere Form kann sogar gesund sein, letztere dagegen schadet.
Wer sich in Beschwerden verstrickt, spielt Probleme immer wieder im Kopf durch, findet aber keine Lösung und verstärkt so das Gefühl von Ungerechtigkeit und Hilflosigkeit. Das kann in Grübeln münden, also in einem sich wiederholenden Gedankenmuster, das keine Lösung bringt, sondern nur emotionale Belastung aufrechterhält.
Ständiges Beschweren kann das Selbstwertgefühl untergraben, belastet soziale Beziehungen und nährt einen Teufelskreis aus Negativität. Tatsächlich kann sich dieser chronisch negative Gemütszustand sogar auf die körperliche Gesundheit auswirken, da er die Stressreaktion des Körpers immer wieder aktiviert.
Deshalb hat eine Beschwerde zwar zunächst eine reinigende Wirkung, ihr Zyklus muss aber mit einer Handlung beendet werden, die einen Fortschritt ermöglicht. Die goldene Regel lautet: Beschweren ja, aber dann auch etwas tun. Reine Beschwerden ohne Konsequenzen führen zu einer Sackgasse, Beschwerden, gefolgt von Handeln, sind ein Motor für Veränderungen.
Drei Schlüssel zu gesundem und wirkungsvollem Beschweren
Beschwerde in konkrete Lösungen verwandeln: Ist die Ursache des Ärgers erkannt, gilt es, einen konkreten Schritt zur Verbesserung zu finden. Nicht immer muss alles auf einmal verändert werden, manchmal reicht eine kleine Anpassung. Bei Überforderung im Job kann es zum Beispiel helfen, den Zeitplan neu zu strukturieren. Bei Konflikten im persönlichen Bereich kann ein klärendes Gespräch ein guter Anfang sein. So wird aus passivem Klagen aktive Gestaltung.
Beschwerdezeit begrenzen: Beschwerden sind nicht per se schlecht, es kommt darauf an, dass sie nicht Gewohnheit werden. Sich bewusst ein Zeitfenster zu geben, etwa zehn Minuten, um Ärger zu äußern – per Gespräch, im Tagebuch oder laut für sich selbst – unterstützt eine klare Struktur. Danach gilt es, weiterzumachen und sich nicht dauerhaft im Beklagen zu verlieren.
Ursachen klar erkennen: Nicht alle Beschwerden sind gleich wichtig, nicht alle verdienen die gleiche Aufmerksamkeit. Dabei hilft die Frage: Was genau stört mich? Was kann ich beeinflussen, was nicht? Über Dinge zu klagen, auf die man keinen Einfluss hat – wie das Wetter – ist wenig sinnvoll. Die Energie sollte auf veränderbare Aspekte konzentriert werden.
Letztlich sind Beschwerden kein Zeichen von Schwäche, noch sollten sie dauerhaft vermieden werden, indem man Unzufriedenheit ständig verschluckt. Sie sind vielmehr ein natürliches Mittel der emotionalen Selbstregulation. Das Problem besteht erst darin, zu einem chronischen Nörgler zu werden.
Das Bedürfnis zu klagen kann uns wichtige Hinweise geben, solange es nicht beim Klagen bleibt. Es gilt, es zu erkennen, auszudrücken und dann zu handeln. So wandelt sich Frust in Selbstermächtigung.
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